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Hör doch mal zu!
Ein Kommentar zu „Deutschland spricht“

Beitrag von: Amelie Rösinger, dot.communications

Raus aus der Filterblase, rein in den direkten Meinungsaustausch. Mehr als 4.000 Gesprächspaare hat die von der ZEIT und zehn weiteren Partnermedien initiierte Aktion „Deutschland spricht“ kürzlich zusammengebracht. Menschen mit unterschiedlichen Lebenskonzepten und sehr konträren Ansichten diskutierten über autofreie Innenstädte, Donald Trump oder die Frage nach strengeren Grenzkontrollen. Themen, die im Moment das Land zu spalten scheinen und die in den Foren und sozialen Netzwerken häufig mit erbitterter Feindseligkeit kommentiert werden.

Steckt Deutschland in der Krise? Vielleicht. Befinden wir uns gerade in einer kollektiven Kommunikationskrise? Ja. Die Crux ist: Wir kommunizieren so viel wie noch nie – und sagen doch so wenig. Mit hehren, philanthropischen Zielen brach das Social-Media-Zeitalter vor einigen Jahren an. Eine bessere, offenere und vernetzte Welt erschaffe facebook, so Mark Zuckerberg noch wenige Monate vor dem großen Datenskandal. Und was haben wir jetzt? Hate Speech statt konstruktiver Debattenkultur.

Dissens ist dabei nicht das Problem, sondern elementar. Denn Demokratie baut auf Meinungsvielfalt auf. Aber – und das ist das Entscheidende: Wir haben verlernt, zuzuhören, über das Gesagte des Anderen nachzudenken, Argumente nachzuvollziehen, sich selbst zu hinterfragen. Wir kennen nur noch überspitzte Meinungen und urteilen vorschnell. Das häufig gepriesene Miteinander der neuen Kanäle ist auf der Strecke geblieben und wurde vom Gegeneinander überholt. Genau aus diesem Grund halte ich „Deutschland spricht“ für gelungen. Die Aktion zeigt, dass wir durchaus in der Lage sind, vernünftig mit Fremden zu reden, auch wenn wir nicht einer Meinung sind und das sehr anstrengend sein kann. Dass Meinungen wandelbar sind. Dass wir Perspektivwechsel zulassen können, die vielleicht etwas mit uns machen oder auch nicht. Die aber auf jeden Fall nicht gleich zu vorschnellen Kategorisierungen, Anfeindungen oder Gesichtsverlust führen müssen. Natürlich lösen solche Kampagnen wie die der ZEIT nicht unsere Probleme, lassen uns aber für einen Moment aus unseren bequemen Filterblasen aussteigen oder zumindest darüber nachdenken. Kommunikation hat sich durch die Digitalisierung grundlegend verändert. Wir müssen nun lernen, damit umzugehen. Wir, das ist jeder Einzelne, aber auch wir Kommunikatoren. Welche Rolle Haltung und Mut dabei spielen, das wird das Thema des nächsten Beitrags sein.

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