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Ethik als Chance – oder warum wir ein digitales Grundgesetz brauchen
Beitrag von Birgit Jakobs, Gründerin dot.communications
Muss Technologie ethisch und Künstliche Intelligenz moralisch sein? Diese zukunftsweisende Fragestellung zeigt auf der Veranstaltung „Morals & Machines“ der Zeitschrift „ada“ neue Optionen für Europa auf.
Die Menschen fürchten sich: Vor dem Klimawandel, vor Donald Trump und einem Krieg mit dem Iran, vor Flüchtlingen, dem erstarkendem Rechtspopulismus – und vor den Konsequenzen ungezügelter Künstlicher Intelligenz und eines Roboterkapitalismus. Insofern war die Dresdner Frauenkirche vorige Woche eine gute Wahl für die ernsthafte Auseinandersetzung von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft mit KI. Was bleibt von der zweiten „Morals & Machines“-Veranstaltung der Zeitschrift „ada“ aus der Verlagsgruppe Handelsblatt? Für mich vor allem das Ringen um eine deutsche, um eine europäische Position im digitalen Wettstreit mit USA und China. KI wird neben dem Klimawandel das wichtigste Thema der nächsten Jahrzehnte sein, und die beiden führenden Nationen haben ihre Claims längst abgesteckt. In diesem Space Race haben wir Europäer die Chance verpasst, zur Spitze aufzuschließen. Es gibt weder eine europäische digitale Agenda noch einen KI-Masterplan auf EU-Ebene. Beides bräuchte man dringend – so wie auch überzeugende politische Antworten auf die Fragen der „Fridays for Future“-Generation.
Wir haben in Europa die große Möglichkeit und auch das Rüstzeug, ethisch wichtige Leitplanken zu definieren. Wir können weltweit – mindestens aber in einem demokratisch orientierten System – Standards definieren, die dringend gebraucht werden. Die Datenschutzgrundverordnung hat gezeigt, dass selbst US-Giganten aus dem Silicon Valley ihre intransparenten Regelwerke neu ausrichten, wenn sich ein Binnenmarkt mit 500 Millionen Konsumenten eigene verbindliche, digitale Regeln gibt.
Dass jüngst der US-Amerikaner Stephen Schwarzman, der Chef der weltweit größten Beteiligungsfirma Blackstone, der Universität Oxford 150 Millionen Pfund für den Bau eines neuen geisteswissenschaftlichen Zentrums überwiesen hat, sollte uns noch nachdenklicher stimmen. Diese nach Angaben der Elite-Universität „größte Spende seit der Renaissance“ soll auch einem Institut für Ethik-Fragen in der KI zu Gute kommen, die Schwarzman besonders am Herzen liegen. Darf hier europäische Politik zurückstehen?
Ich denke nein. In der KI-Frage ist Ethik die große Chance, die uns auf einen Schlag ins Rennen zurückbringen kann. Wir sollten sie nutzen. In einem Jahr, in dem sich die Menschen wieder fürchten, feiern wir auch den 70. Geburtstag des Grundgesetzes, das mehr ist als nur einfach unsere Verfassung. Sie ist nach finsterster Zeit entstanden, um eine bessere Gesellschaft zu ermöglichen. In diesem Geiste sollten wir unser eigenes digitales Grundgesetz für KI aufstellen. Es wird dringend gebraucht.