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Der Krisen-Journalist als Krisen-Manager
Beitrag von Birgit Jakobs, Gründerin dot.communications
Krisen-Kommunikator wider Willen: Normalerweise versorgt der SPIEGEL-Chefredakteur Steffen Klusmann die Krisen-Manager der Republik mit Aufträgen. Denn allein schon eine Anfrage aus seinem Haus führt in Kommunikationsabteilungen zu höherem Pulsschlag und oftmals zum Einschalten von PR-Experten. Nun muss Klusmann durch die Fehlleistungen seiner Redaktion rund um die „Affäre Relotius“ selbst diese Rolle ausfüllen. Spannend also zu sehen, wie er sich beim diesjährigen Kommunikationskongress in der Hauptstadt schlägt. Was fällt ihm heute dazu ein? Was ist sein Maßnahmen-Katalog zum Thema Krise?
Erster Eindruck: Volles Haus. Es scheint, als ob das Interessanteste am SPIEGEL derzeit genau dieses Thema ist. Dabei ist vieles ist ja schon bekannt: es gab die unabhängige Experten-Kommission, den umfassenden (nicht unumstrittenen) Aufklärungs-Bericht, einige personelle Konsequenzen, Interviews oder wie heute, Keynote-Vorträge.
Klusman füllte seine halbe Stunde mit persönlichen Erzählungen zum Fall und einer PowerPoint-Präsentation. Er mischte Bekanntes aus dem Aufklärungs-Bericht mit Anekdoten. So weit, so erwartbar. Dass trotzdem lange Minuten, fast wie in einem Werbeblock, die neuen Geschäftsmodelle des SPIEGELS präsentiert wurden, quasi zur Einordnung des Falles in die transformations-durchgeschüttelte Branche, hat mich maximal befremdet. Das Phänomen des allgemeinen Vertrauensverlustes in den Medien – Stichwort Lügenpresse – zur Einordnung nochmal zu bemühen, na klar. Was aber haben darüber hinaus die Probleme durch die Verschmelzung von Print- und Online-Redaktion im SPIEGEL mit dem Thema zu tun? In diesem Auditorium saßen Experten, denen all dies ebenso schmerzlich vertraut ist. Und so kamen die wirklich interessanten Themen viel zu kurz: Welche kommunikativen Krisen-Maßnahmen wurden parallel zur eigenen Aufklärung ergriffen? Wie genau wurde der Social Media Shitstorm gemanaged, welche Statements würde er wieder und welche nicht geben? Und am allerwichtigsten: Welche Maßnahmen haben sich seitdem schon in der Praxis bewährt, damit wir alle aus diesem Fall lernen könnten?
Dazu kam nichts. Fragen aus dem Publikum? Nicht vorgesehen. Es tat der guten Stimmung im Saal keinen Abbruch. Was auch an Klusmanns unaufgeregtem, durchaus humorigem Stil liegt, die größte Krise seines Hauses zu beschreiben. Wer allerdings wie ich den Fall intensiv verfolgt und viel darüber gelesen hat, erhält keine News. Die größte Erkenntnis laut Klusmann ist, dass man sich nach einem solchen Ereignis auf die journalistischen Kernkompetenzen besinnen muss. Dass man relevant bleibt. Und dass sich auf seine komparativen Vorteile konzentrieren muss. Das ist mir persönlich zu wenig. Und so wurde die große Frage hinter der SPIEGEL-Affäre, was an und wo genau Journalismus richtig oder falsch ist, wieder nicht beantwortet. Aber vielleicht war das zu viel verlangt.
Mein Fazit: Nächste Woche erscheint Juan Morenos Buch „1000 Zeilen Lüge“. Vielleicht werde ich hier fündiger. Und muss mich einfach noch stärker an den Gedanken gewöhnen, dass eine Keynote einfach nur eines muss: unterhalten.