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Broadcast yourself!
Oder warum sogar die Berliner Philharmoniker ihren eigenen TV-Sender haben

Beitrag von: Karl König, Gast-Autor und Bewegtbildexperte

Um Himmels Willen, was passiert da gerade mit dem Altar in unserem Wohnzimmer? Für Millionen Menschen ist er die Nabelschnur zu unserer Freizeit-Welt… der Fernseh-Apparat. Schön schlank ist er geworden, bestes Wohnzimmer-Design. Die Qualität der Bilder ist atemberaubend, die Sendervielfalt sowieso. Bemerkenswert ist, wie sehr die „Glotze“ gerade ihr Wesen verändert. Bester Beweis: Mein neues Gerät. Gerade gekauft, spuckt es auf den ersten Knopfdruck nicht mehr automatisch „Das Erste“ aus, sondern ein Front End mit Kacheln. Apps, die man über die Lounger Bar anklickt und damit von Smart Channel zu Smart Channel navigiert. Ich zappe nicht mehr, sondern kommuniziere mit meinem TV-Gerät. Verwirrend und reizvoll zugleich.

Der gute alte Fernseh-Apparat mausert sich zum digitalen Schaufenster an der Wohnzimmer-Wand. Fast die Hälfte der deutschen Haushalte besitzt inzwischen einen Smart TV, über 60 Prozent haben das Gerät ans Internet angeschlossen (Quelle: gfu). Connected TV ist angekommen. Als neuer Kanal, der direkt zum Kunden führt.

Worin liegt nun die Chance? Bis vor kurzem konnten nur wenige von sich behaupten: „Ich bin im Fernsehen.“ Was jetzt kommt, ist ein neues Bewegtbild-Zeitalter. Die Kosten der Verbreitung sind bezahlbar. Die Zahl derer, die bereit sind, dem smarten TV-Gerät eine Chance zu geben, wird wachsen.

Ein Vergleich: Es gibt in Deutschland über 5.600 Fach-Zeitschriften mit einer Auflage von 636 Millionen pro Jahr. Ich denke: Wer Fach-Zeitschriften kauft, könnte sich auch für Fach-TV interessieren. Bleibt die Frage: Wenn die Pipeline gelegt ist – woher kommt das Öl, das da durchsprudelt?

Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten. Die klassische Variante: Alle großen Automarken haben schon jetzt ihren eigenen Brand-Channel. Marketing in Bewegtbild ist in dieser Branche von jeher wichtig. Der eigene Smart TV-Kanal? Quasi ein Neben-Produkt. Die charmante Variante: Die Berliner Philharmoniker senden ihre „Digital Concert Hall“. Nicht aus Idealismus, sondern als Geschäftsmodell. Ein Sieben-Tage-Ticket klassischer Musik gibt es für 9,99 €. Die prominente Variante: Oliver Kahn betreibt mit G:oalplay eine Service-Plattform, auf der er sein eigener Fernseh-Chef ist. „Broadcast yourself“ – so einfach war es noch nie, ins Fernsehen zu kommen.

Der Fairness halber eine warnende Abschlussbemerkung: Der große TV-Screen mit seiner Full HD-Verheißung kann gnadenlos sein. Drum prüfe, wer denn ewig sendet…

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