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pilot Radar: Trend zum medialen Eskapismus
In der 53. Welle der Radar-Studienreihe untersucht die Agenturgruppe pilot Ausgabebereitschaft und Mediennutzung der Deutschen und beleuchtet Faktoren für eine positive Markenwahrnehmung
- Dynamik der Ausgabebereitschaft zu Jahresanfang leicht eingetrübt
- Streamingdienste mit Serien und Filmen werden stärker genutzt, Nachrichten und Wissensinhalte weniger
- Chance für Werbetreibende: hohe Werbeakzeptanz bei Streamingdiensten
- Glaubhafte Positionierung von Marken kommt bei Verbraucher*innen gut an
Hamburg, 12. Februar 2024. Zu Beginn des Jahres ist die Ausgabebereitschaft der Konsument*innen leicht gesunken: 46 Prozent der Deutschen planen, in den kommenden Wochen weniger Geld auszugeben als zuvor. Die andere Hälfte (50 Prozent) gibt an, die Ausgaben auf gleichem Niveau wie in den letzten Wochen belassen zu wollen; nur vier Prozent haben vor, ihre Ausgaben tatsächlich zu erhöhen. Das Bild gleicht damit ziemlich genau dem Konsumklima am Jahresanfang 2023 – wobei sich damals eine deutlich optimistischere Tendenz abzeichnete. Befragt nach den Gründen für geringere Ausgaben nennen rund zwei Drittel (60 Prozent) der Befragten, dass sie ihren Lebensstandard aufgrund der aktuellen Preissteigerungen nach unten angepasst haben und damit rechnen, dass es auch in den kommenden Monaten dabei bleiben wird. Gleichzeitig ist die Struktur der Ausgabebereitschaft im Vergleich zum Vorjahr recht stabil geblieben: Am ehesten wollen die Deutschen beim Ausgehen und Feiern (52 Prozent) sparen – gefolgt von der Wohnungseinrichtung (50 Prozent), bei Büchern, Filmen und Musik (42 Prozent) sowie bei Urlaub und Reisen (40 Prozent). Das sind die Ergebnisse aus der 53. Welle der Studienreihe pilot Radar, die im Auftrag der Agenturgruppe regelmäßig vom Hamburger Institut Norstat erhoben wird.
Gesellschaftspolitische Themen dominieren das Sorgenbarometer
Befragt nach den Alltagssorgen, die die Menschen in Deutschland beschäftigen, liegt die Angst davor, dass die Bundesregierung den aktuellen Herausforderungen nicht gewachsen ist, an erster Stelle (78 Prozent) – mit leicht steigender Tendenz. Auf Rang zwei steht nach wie vor die Befürchtung, dass die aktuellen Krisen den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland beschädigen (75 Prozent), gefolgt von der Sorge um die eigene finanzielle Situation (65 Prozent). Der Klimawandel und seine Auswirkungen landen auf dem vierten Platz und beschäftigen immerhin 58 Prozent der Befragten – noch vor weiteren Unsicherheiten ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, Versorgungsschwierigkeiten oder das Gefühl eines andauernden Ausnahmezustands.
Relevanz von Nachhaltigkeit lässt leicht nach – EU Greenwashing-Gesetz wird begrüßt
Insgesamt spiegeln die aktuellen Ergebnisse eine leichte Abnahme der Relevanz des Themas Nachhaltigkeit wider, die Werte sind in allen abgefragten Produktkategorien leicht rückläufig (siehe Grafik 1). Signifikant gesunken ist die eingeschätzte Wichtigkeit der Nachhaltigkeit bei Verpackungsmaterialien: von 74 Prozent im Jahr 2023 auf 67 Prozent in 2024. Am wichtigsten ist Nachhaltigkeit nach wie vor bei Nahrungsmitteln (73 Prozent) – am wenigsten wichtig bei der Auswahl von Urlaubszielen (45 Prozent), bei Möbeln (40 Prozent) und bei Finanzdienstleistungen (29 Prozent). Interessant in diesem Zusammenhang: Eine große Mehrheit der Deutschen (60 Prozent: eher oder sehr sinnvoll) begrüßt klar die von der EU geplante Richtlinie gegen Greenwashing. Dabei zeigen sich deutliche altersabhängige Unterschiede: Die höchste Zustimmung erhält der Beschluss bei den unter 30-Jährigen (66 Prozent halten ihn für sinnvoll oder eher sinnvoll), bei den über 40-Jährigen sinkt sie zunehmend. Ein weiterer Zusammenhang lässt sich bei der Ortsgröße ausmachen: Je urbaner die Menschen wohnen, desto größer ist die Zustimmung zum „Greenwashing“-Beschluss.
Mediennutzung insgesamt stabil – inhaltliche Tendenz zum Eskapismus
Bei der Frage nach den zu Hause zur Entspannung genutzten Medien landet lineares TV an erster Stelle (40 Prozent), gefolgt von den Sozialen Medien (35 Prozent) und Radio (31 Prozent) – alle mit leicht sinkender Tendenz im Vergleich zum Vorjahr. Stabil geblieben ist die Nutzung von Printprodukten (25 Prozent) wie Zeitungen, Magazine und Bücher. Signifikant angestiegen ist dagegen der Konsum von Serien oder längeren Filmen via Streamingdienst oder DVD/Blue-Ray von 23 Prozent Anfang 2023 auf aktuell 31 Prozent. Entsprechend ist im Jahresvergleich auch ein leichter Zuwachs bei Streamingdiensten und dem Premium-Zugang zu privaten TV-Sendern zu verzeichnen: 56 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen drei Monaten ein Abo für Netflix, Disney+, etc. abgeschlossen zu haben – das sind drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahreszeitraum. Es lässt sich auch hier ein klarer Zusammenhang zwischen Alter und Medienauswahl beobachten: je jünger die Nutzer*innen, desto stärker werden private Streamingdienste genutzt – je älter, desto höher fällt die Nutzung der Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender aus. An Relevanz verloren haben dagegen Nachrichten (Nutzung 2023: 44 Prozent vs. 2024: 36 Prozent) sowie Bildungs- und Wissensinhalte (Nutzung 2023: 20 Prozent vs. 2024: 16 Prozent; siehe Grafik 2). Daniel Daimler, Leiter Marktforschung bei pilot sieht darin ein Indiz für einen gewissen medialen Eskapismus: „Je mehr die multiplen Krisen unserer Zeit scheinbar eine narrative Dynamik aufweisen, die der Staffel-Struktur von fiktionalen Inhalten immer ähnlicher wird, desto eher bevorzugt offenbar ein zunehmender Teil des Publikums eine klare Trennung von Fiktion und Realität. Serien und längere Spielfilme gewinnen als strukturierter Ort der Zuflucht gegenüber dem Realismus der Nachrichten an Relevanz. Dies hat nicht zuletzt auch Implikationen für Umfeld-basierte Kommunikationsplanung.“
Offenheit gegenüber Werbung bei Streamingdiensten
Da immer mehr Streamingdienste planen, künftig Werbung auszustrahlen, wurde zudem in der aktuellen Welle die Bereitschaft der Nutzer*innen zu unterschiedlichen Angebotsformen abgefragt: Rund 40 Prozent wären bereit, mehr Werbung in Kauf zu nehmen, wenn sich dafür die monatliche Gebühr verringern würde. 31 Prozent würden sogar der Verwendung ihrer Nutzungsdaten und Interessen zustimmen, wenn dadurch das Angebot kostenfrei bleibt. Dagegen wären die restlichen 30 Prozent auch bereit, eine monatlich höhere Gebühr zu entrichten, wenn sie die Abo-Inhalte dafür auch weiterhin ohne Werbung nutzen könnten (siehe Grafik 3). „Der Handel zwischen Zuschauer und Streaming-Anbietern – mehr Werbung für weniger Grundgebühr – beinhaltet zwei Chancen für unsere Branche: Einerseits wird dringend benötigte Werbereichweite für die Kunden bereitgestellt, gleichzeitig können wir dann auch von einer höheren Werbeakzeptanz ausgehen. Wenn es dann noch gelingt, die ausgespielte Werbung relevant individualisiert zu produzieren, haben wir es mit einer Win-Win-Win-Situation zu tun, von der die Konsument*innen, die Werbetreibenden und der Streaming-Anbieter gleichermaßen profitieren”, so pilot-Geschäftsführerin Martina Vollbehr.
Glaubhafte Positionierung zahlt sich für Marken aus
Im Rahmen der Radar-Reihe befragt die Agenturgruppe pilot die Menschen auch immer wieder zu ihrer Wahrnehmung von Marken. Auffallend ist hier, dass deutlich mehr Menschen als noch im Vergleichszeitraum des Vorjahres der Aussage zustimmen, dass Marken die Chance haben, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken (2023: 33 Prozent, 2024: 41 Prozent). Auch trauen mehr Deutsche Marken zu, Orientierung zu bieten (2023: 57 Prozent, 2024: 62 Prozent). Etwas geringer fällt auch die Zustimmung für die Aussage aus, dass sich verschiedene Marken eigentlich gar nicht so sehr voneinander unterscheiden (2023: 85 Prozent, 2024: 78 Prozent).
Befragt nach ihrer Haltung zu den seit Wochen deutschlandweit anhaltenden Demonstrationen für mehr Demokratie stimmen 40 Prozent der Aussage zu, dass Marken sich gegen Rechtsextremismus positionieren sollten – davon die Hälfte mit der Einschränkung, dass dies auch zur jeweiligen Marke passen sollte. Ebenso viele Deutsche (40 Prozent) sagen aber auch, dass sich Marken grundsätzlich aus öffentlichen Debatten raushalten sollten. Damit spiegeln die Ergebnisse recht anschaulich das sehr heterogene gesellschaftliche Spektrum bei diesem hochaktuellen politischen Thema wider.
„Wir sehen, dass viele Menschen es schätzen, wenn Marken sich glaubhaft bei gesellschaftspolitischen Themen positionieren, was sich ja auch in der Zustimmung zum Greenwashing-Beschluss der EU zeigt“, bilanziert Martina Vollbehr. „Darüber hinaus gibt es auch einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Zustimmung einer klaren Positionierung von Marken und der Wertschätzung, die die Verbraucher*innen diesen Marken entgegenbringen: Wer gut findet, dass Marken eine Haltung zeigen, die zu ihnen passt, sieht auch deutlich überproportional die positiven Aspekte, die Marken bieten können: Orientierung, Verlässlichkeit, Zusammenhalt und das Gefühl von Normalität.”
Steckbrief der Online Panel Studie: n=1.000 Befragte / Struktur der Stichprobe ist online repräsentativ 18+ Jahre / Feldzeit: 29.01. bis 03.02.2024 / Forschungsinstitut: Norstat.
Mehr zur Studienreihe und alle Ausgaben des pilot Radars im Überblick: